Ungeachtet aller Prognosen dauert der Monsun in diesem Jahr offenbar länger als üblich, und in weiten Teilen des offenen Indiks erlauben Wind und Wellen noch immer keine Kaperfahrten mit kleinen Skiffs. Den Kapitänen von Handelsschiffen kann dies nur recht sein, aber die derzeitige relative Ruhe wird nicht lange anhalten. Im nördlichen Somaliabecken und Teilen des Arabischen Meeres beruhigt sich das Wetter bereits, und es gibt erste Hinweise, dass hier auch schon von Piraten gekaperte und als Mutterschiff genutzte Dhaus zu Raubzügen unterwegs sind. In den Piratencamps an der somalischen Küste sind zunehmende Aktivitäten erkennbar; Whaler (Mutterboote) und Skiffs werden für baldige Seefahrt vorbereitet.
Mindestens eine Piratengruppe hat sich schon auf den Weg gemacht und ist im südlichen Somaliabecken aktiv. Am 17. September wurde etwa 90 sm östlich von Mombasa der Stückgutfrachter AN NING JIANG von Piraten in einem Skiff angegriffen und beschossen. Als ein eingeschifftes, bewaffnetes Sicherheitsteam das Feuer erwiderte, drehte das Skiff sofort ab.
Evakuierung von der brennenden PACIFIC EXPRESS (Foto: ital. Marine) |
Drei Tage später griffen Piraten (möglicherweise die gleiche Gruppe) ebenfalls östlich von Mombasa aber 100 sm weiter auf See den griechischen (Flagge Zypern) Frachter PACIFIC EXPRESS an. Hier gab es kein Sicherheitsteam, und die Verbrecher konnten den Frachter auch entern.
Mit Beginn des Angriffs hatte der Kapitän einen Notruf abgesetzt und seine Besatzung in einen Sicherheitsraum befohlen; als die Piraten sein Schiff enterten, verbarrikadierte auch er sich dort. Da die Piraten nach dem Notruf mit baldigem Erscheinen eines Kriegsschiffes rechnen mussten, zu den Geiseln aber nicht vordringen konnten, brachen sie den Überfall ab.
Frustriert legten sie Feuer und setzten sich dann mit ihrem Skiff ab. Der etwas später eintreffende italienische Zerstörer ANDREA DORIA (NATO) konnte die Besatzung unversehrt abbergen und nach Mombasa bringen. Die brennende PACIFIC EXPRESS blieb zurück; inzwischen soll ein ziviler Bergeschlepper beim Havaristen sein.
Ansonsten beschränken Piraten ihre Aktivitäten zur Zeit noch immer auf küstennahe Gewässer oder ruhige Seegebiete innerhalb des Golfs von Aden. Am 15. September griff ein Skiffs vor der omanischen Küste den gerade aus Salalah ausgelaufenen norwegischen Frachter SPAR GEMINI an, drehte nach Warnschüssen eines eingeschifften, bewaffneten Sicherheitsteams aber sofort ab. Ein weiterer möglicher Kaperversuch wird aus der Meerenge des Bab el Mandeb im Westeingang zum Golf von Aden gemeldet. Hier ist aber unklar, ob es sich wirklich um Piraten gehandelt hat, oder nicht ein zu nahe kommender harmloser Fischer einen Handelsschiffskapitän nervös gemacht hat. Ein tatsächlicher Angriff hat offenbar nicht stattgefunden.
WEST AFRIKA
Piraten haben am 24. September den zehn zuvor vor der Küste Benins gekaperten spanischen (Flagge Zypern) Tanker MATTHEOS I wieder frei gegeben. Bis auf einen leicht Verletzten blieb die Besatzung (23) unversehrt. Eine Lösegeldforderung war nicht erhoben worden. Wie „üblich“, begnügten sich die Piraten damit, in einer versteckten Bucht an der Küste (vermutlich vor Nigeria/Niger Delta) einen Großteil der Ladung Dieselkraftstoff zum Verkauf auf dem Schwarzmarkt abzupumpen.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die vor Beginn der „Piratensaison“ am Ende der Monsunzeit vorgenommenen Ablösungen und Verstärkungen bei den diversen am Horn von Afrika operierenden Einsatzgruppen und in nationalem Auftrag eingesetzten Marinen sind weitgehend abgeschlossen. Ein aus dem Pazifik zulaufender Verband mit dem Zerstörer ADMIRAL PANTELEYEV dürfte in diesen Tagen den Golf von Aden erreichen. Die spanische Fregatte SANTA MARIA ist nach Ende ihres Einsatzes bei der EU NavFor am 21. September in ihren Heimathafen zurück gekehrt.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
Alle Informationen entstammen frei zugänglichen Quellen.