Niederlande — Planungssicherheit für die kommenden Jahrzehnte?

Vor sechs Jahren war die nieder­ländis­che Marine noch voller Zuver­sicht, für die kom­menden Jahrzehnte Pla­nungssicher­heit zu haben. 

Die im Okto­ber 2005 veröf­fentlichte „Marines­tudie 2005“ sah zwar Kürzun­gen im Bestand vor; so soll­ten vier Fre­gat­ten der KAREL DOOR­MAN-Klasse verkauft wer­den. Par­al­lel dazu war jedoch die Beschaf­fung von vier Patrouil­len­schif­f­en der HOL­LAND-Klasse abge­seg­net — 90‑m Schiffe, die neben human­itären Hil­f­sein­sätzen vor allem auch die bish­er aufwändig von Fre­gat­ten durchge­führten Karibik-Patrouillen zur Bekämp­fung des inter­na­tionalen Dro­gen­han­dels wahrnehmen soll­ten. Ein neuer Ver­sorg­er sollte als Joint Sup­port Ship auch Auf­gaben im strate­gis­chen See­trans­port übernehmen; zwei Fre­gat­ten der DE ZEVEN PROVEN­CIEN-Klasse soll­ten für den Ver­schuss von Marschflugkör­pern Tom­a­hawk nachgerüstet wer­den; die U‑Boote der WAL­RUS-Klasse soll­ten durch ein Upgrade bis 2025 in Dienst gehal­ten wer­den; die Minen­ab­wehrka­paz­itäten soll­ten aus­ge­baut wer­den, und schließlich sollte sich auch der Per­son­alum­fang der Marine vergrößern. 

Nur ein Jahr später gab es erste Abstriche. Um den Bau der vier HOLLAND bezahlen zu kön­nen, mussten zwei weit­ere KAREL DOORMAN verkauft wer­den. 2007 zwan­gen der teure Afghanistan-Krieg und Prob­leme bei der Rekru­tierung von Nach­wuchs zu weit­eren Einsparun­gen; die Beschaf­fung von Tom­a­hawk wurde auf Eis gelegt. 

Danach schien zunächst Ruhe einzukehren. Der Bau der vier Schiffe der HOL­LAND-Klasse wurde plan­mäßig begonnen, und das Typ­schiff führt auch bere­its Erprobun­gen durch. Für die vier U‑Boote der WAL­RUS-Klasse wurde 2009 noch ein­mal die Pla­nung eines Upgrade bekräftigt; überdies gab es sog­ar Vor­pla­nun­gen zu einem Ersatz durch Neubaut­en. Auch die Minen­ab­wehrkom­po­nente sollte durch Beschaf­fung mod­ern­er Räumgeräte gestärkt wer­den, ja selb­st die Entwick­lung neuer Minen­jagdboote war im Gespräch. 

Marineforum - Minenjagdboot der ALKMAAR-Klasse (Foto: Michael Nitz)
Minen­jagdboot der ALK­MAAR-Klasse
Bildquelle: Michael Nitz

Seit dem 8. April scheinen große Teile der Marine­pla­nung nur noch Maku­latur. Die weltweite Finanzkrise ist auch an den Nieder­lan­den nicht spur­los vor­bei gegan­gen. Um notwendi­ge Einsparun­gen zu gener­ieren, verkün­dete die Regierung tief greifende Kürzun­gen bei den Stre­itkräften. So sollen ins­ge­samt 12.000 mil­itärische Dien­st­posten (etwa 17 %) gestrichen wer­den; Stäbe sollen dabei über­pro­por­tion­al um 30 % verklein­ert wer­den. Infra­struk­tur ste­ht zur Dis­po­si­tion (Stan­dort­de­bat­te).

Wie die anderen Teil­stre­itkräfte (das Heer wird sämtliche Kampf­panz­er Leop­ard ver­lieren), muss materiell auch die Marine deut­lich „Fed­ern lassen“. Vier der noch vorhan­de­nen zehn Minen­jagdboote der ALK­MAAR-Klasse wer­den vorzeit­ig (offen­bar schon im Mai) außer Dienst gestellt und zum Verkauf ange­boten. Mit den sechs restlichen Booten kön­nten die Min­i­mal­forderun­gen für heimat­na­he (Nord­see) Auf­gaben, Abstel­lung in NATO-Ver­bände und Unter­stützung von Küstenwache und Seep­olizei „noch“ erfüllt wer­den. Ver­stärk­te Zusam­me­nar­beit mit den Nach­barn (Bel­gien, Deutsch­land) soll durch Syn­ergieef­fek­te den Verzicht kompensieren. 

Von den vier Neubaut­en der HOL­LAND-Klasse werde die Marine nur zwei übernehmen. Man werde zwar alle Verträge zum Bau erfüllen, aber zwei der Schiffe sofort nach Fer­tig­stel­lung zum Verkauf anbi­eten. Wie mit Blick auf notwendi­ge Mate­ri­aler­hal­tungszyklen nur zwei Schiffe die Präsenz in der Karibik aufrecht erhal­ten und darüber hin­aus auch den nieder­ländis­chen Beitrag zur Bekämp­fung von Pira­terie stellen sollen, bleibt abzuwarten. Die ver­ant­wortlichen Poli­tik­er geben sich hier „vor­sichtig optimistisch“. 

Marineforum - HOLLAND (Grafik: Damen-Schelde)
HOLLAND
Bildquelle: Damen-Schelde

Am Bau des Logis­tic Sup­port Ship wird fest gehal­ten. Dafür wird aber der Ver­sorg­er ZUIDERKRUIS Ende dieses Jahres nach einem let­zten Ein­satz am Horn von Afri­ka aus­ge­mustert, und auch der Ver­sorg­er AMSTERDAM soll nur noch bis zum Zulauf des Neubaus (2014) in Dienst bleiben. Die logis­tis­che Unter­stützungskom­po­nente hal­biert sich damit zum Ende dieses Jahres dauer­haft auf nur noch ein einziges hochseefähiges Schiff. Wenn dieses nicht ver­füg­bar ist, z.B. zu Instand­set­zung in der Werft liegt, müssen Alter­na­tiv­en bei ver­bün­de­ten Mari­nen gesucht werden. 

Schon bevor die Umset­zung dieser verkün­de­ten Maß­nah­men begonnen hat, mehren sich in nieder­ländis­chen Medi­en Zweifel, dass dies tat­säch­lich alles sein kön­nte. Spekuliert wird vor allem darüber, dass auch die restlichen zwei Fre­gat­ten der KAREL DOOR­MAN-Klasse schon bald auf die Stre­ich­liste gelan­gen kön­nten, und auch der Erhalt der U‑Bootkomponente werde bere­its „grund­sät­zlich“ disku­tiert. Fre­gat­ten und U‑Boote wer­den in den bish­er offiziell genan­nten Maß­nah­men mit keinem Wort erwähnt. 

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

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