Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
SOVREMENNYY — Eine russische Zerstörerklasse für die Volksrepublik China
Das besondere Schiff
SOVREMENNYY – »Der Moderne«
– so hieß das Typschiff einer neuen Zerstörerklasse der sowjetischen Roten Flotte. Ein Schiffsname, der zumindest aus russischer Sicht den Tatsachen voll entsprach. In den 1970er Jahren entwickelt, begann ab 1981 der Zulauf dieses Überwasserkampfschifftyps in der Größenordnung der bisher gebauten Flugkörperkreuzer der KYNDA / KRESTA-Klassen. Mit neuen Waffensystemen ausgerüstet, waren die Flugkörperzerstörer noch ganz nach den Erfordernissen des Kalten Krieges für den ozeanischen Langzeitansatz mit Einsatzschwerpunkt gegen Überwasserstreitkräfte konzipiert. Die starke Artilleriebewaffnung hätte zudem eine wirksame Landzielbekämpfung, zum Beispiel zur Unterstützung amphibischer Operationen, ermöglicht.
Wie vom Fließband kamen damals die Einheiten des Projekts 956, so die russische Bezeichnung, im knappen Jahresrhythmus aus der Leningrader / St. Petersburger Nordwerft, ihrer ausschließlichen Bauwerft. Sie durchliefen in der östlichen Ostsee ihre technischen und waffentechnischen Seeerprobungen und verlegten dann zu ihren Einsatzverbänden in der Nordflotte und der Pazifikflotte. Bis Ende 1990 stellten sie 14 Einheiten in Dienst und drei weitere folgten dann noch bis 1994. Der Wandel der weltpolitischen Verhältnisse und die fehlenden Haushaltsmittel der russischen Marine hatten den Zerstörerbau mehr oder weniger abrupt beendet. Zehn Einheiten der SOVREMENNYY-Klasse sind heute noch im Dienst der russischen Seestreitkräfte, die restlichen verkommen an der Pier oder sind schon den Weg des Verschrottens gegangen.
Bei Aufgabe des Bauprogramms lagen noch weitere fünf Schiffe des ursprünglich mit weit über 20 Einheiten geplanten Vorhabens an den Ausrüstungspiers und auf den Helgen. Zwei dieser Zerstörer befanden sich in einem fortgeschrittenen Bauzustand, die übrigen waren gerade mal auf Kiel gelegt. Da die russische Marine als Abnehmer nicht mehr in Frage kam, versuchte die Werft die beiden Baunummern 18 und 19, als Namen waren schon VAZHNYY und VDUMCHIVYY vergeben, zu verkaufen.
Die Marine der Volksrepublik China zeigte großes Interesse an den Schiffen. Im Fernen Osten hatte die modernste Teilstreitkraft der Volksbefreiungsarmee gerade damit begonnen, ein umfangreiches Modernisierungs und Aufrüstungsprogramm zu verfolgen. Die Einbindung russischer Marinetechnik in die eigenentwickelten Neubauprogramme war durchaus im Sinne der chinesischen Marineführung. Mit dem Kauf von U‑Booten der russischen KILO-Klasse war dies bereits in die Tat umgesetzt worden. Kam man dadurch doch wesentlich schneller zum schon lange angestrebten Ziel einer wirklichen Blue Water Navy.
Der Vertragsabschluss über den Kauf der beiden nun als Projekt 956E bezeichneten Einheiten erfolgte im Januar 1998. Die bis dato zu ca. 80 Prozent fertige VAZHNYY konnte bereits im Dezember des Folgejahres als HANGZHOU übernommen werden. Im Januar 2000 verlegte das Schiff nach China. Das Schwesterschiff FUZHOU folgte ein Jahr später.
Im Januar 2002 orderte die chinesische Marine nochmals zwei Zerstörer der SOVREMENNYY- Klasse in Russland. Diesmal waren es vollkommen neue Schiffe, die sich auch konstruktiv in den Aufbauten sowie in ihrer Bewaffnung und Ausrüstung von den ersten beiden Fahrzeugen unterscheiden. Sie werden allgemein als Projekt 956EM bezeichnet. Der Bau verlief recht zügig und im Januar 2006 verlegte die TAIZHOU bereits nach China. Das Schwesterschiff NINGBO folgte im Oktober des gleichen Jahres. Allerdings war hier eine Bauverzögerung von mehreren Monaten eingetreten. Ursache war eine Brandhavarie am 27. April 2005, die zwei Werftarbeitern das Leben kostete und umfangreiche Verwüstungen in dem Neubau hinterließ.