Im Pazifikkrieg (1879–84) hatte Chile einen damals zu Bolivien gehörenden, an Mineralien reichen Küstenstreifen erobert und das südamerikanische Land damit zum Binnenstaat gemacht. Bolivien hat den Wunsch zur Rückkehr an die Küste nie aufgegeben – auch wenn hier sicher eher kommerzielle Aspekte als eine bloße „Liebe zum Meer“ im Vordergrund stehen. In jedem Jahr wird am 23. März der „Dia del Mar“ (Tag des Meeres) begangen, an dem Chile regelmäßig zur Rückgabe des eroberten Gebietes aufgefordert wird. Dort (seit 1962 bestehen keine diplomatischen Beziehungen mehr) fanden solche Wünsche allerdings nie Gehör.
Karte: Sammlung der Universität Texas |
Nun ist Nachbar Peru in die Bresche gesprungen. Ende Oktober unterzeichneten die Präsidenten Evo Morales (Bolivien) und Alan Garcia (Peru) einen Pachtvertrag, in dem Bolivien für 99 Jahre ein vier Quadratkilometer großes Areal an der peruanischen Küste in der Nähe des südperuanischen Hafens Ilo überlassen wird. Infrastruktur gibt es dort noch nicht, aber man kann wohl davon ausgehen, dass sehr zügig mit dem Bau eines leistungsfähigen Hafens begonnen wird. Bolivien ist Exporteur einer ganzen Reihe wichtiger Mineralien und Metalle. Neben Zink, Zinn, Silber fördert das Land vor allem Lithium. Angeblich lagern unter einem bolivianischen Salzsee 70 Prozent der Weltvorkommen dieses für moderne Batterien zunehmend gefragten Metalls. Die Verfügbarkeit eines eigenen Hafens an der Pazifikküste „verkürze die Exportwege zu den asiatischen Märkten um etwa 40 Prozent“.
Mit Inbetriebnahme eines solchen Hafen wird auch die bolivianische Marine wieder auf den Pazifik zurück kehren. Bisher beschränkt sie sich auf Grenzsicherung auf dem Titicacasee und Sicherheits- und Transportaufgaben auf binnenländischen Flüssen. Dazu werden fast 80 kleinere Wachboote und Landungsfahrzeuge unterhalten, und die Personalstärke der bolivianischen Marine beträgt immerhin 6.600 Mann (davon 2.000 Marineinfanteristen). Sie stellt übrigens auch die Ehrengarde des Präsidenten. Die Rückkehr an den Pazifik wird ihren Auftrag erweitern. Weit auf die offene See hinaus wird man allerdings nicht operieren, sondern sich mit „hoheitlichen“ Aufgaben (See-/Hafenpolizei, Zoll, SAR-Dienst) direkt vor bzw. in der kleinen Exklave bescheiden. Zur Wahrnehmung solcher Aufgaben wird man sich schon bald auf dem Weltmarkt nach geeigneten Fahrzeugen umsehen.
Die Vereinbarung mit Peru ist übrigens nicht wirklich neu. Schon 1992 hatten beide Länder mit dem „Boliviamar Agreement“ den Bau eines Hafens und dazu gehörender Transportinfrastruktur an der peruanischen Pazifikküste vereinbart, wenngleich damals noch ohne „territoriale Abtretung“ des Geländes. Peru hatte die zunächst lautstark verkündete Vereinbarung dann allerdings nie realisiert. Unklar ist derzeit noch, welche „Gegenleistungen“ sich der peruanische Präsident nun von der neuen Vereinbarung erhofft. Allgemein wird über politische Unterstützung (Vereinte Nationen) durch Bolivien beim jahrzehntelangen Seegrenzstreit zwischen Peru und Chile spekuliert.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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